Chinesische Flagge Quelle: daboost - Fotolia

Die Provinz Ningxia liegt westlich der großen chinesischen Zentren und gehört zu den weniger entwickelten Gebieten der Volksrepublik China. In enger Abstimmung mit dem Obersten Volksgerichtshof in Peking fördert die Robert-Bosch-Stiftung aus Stuttgart in diesen Gebieten die Entwicklung des Rechtsstaats durch den Austausch deutscher und chinesischer Richterinnen und Richter. Mit dieser Förderung und auf Vermittlung der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) hat das Oberlandesgericht Köln im Jahr 2011 eine Partnerschaftsvereinbarung mit dem oberen Volksgericht der Provinz Ningxis geschlossen. Seitdem findet ein regelmäßiger Expertenaustausch statt.

Übersicht über die bisherige Zusammenarbeit externer Link, öffnet neues Browserfenster / neuen Browser-Tab

Partnerschaft zwischen dem Oberlandesgericht Köln und dem Oberen Volksgericht der Provinz Ningxia/V.R. China

In der Zeit vom 17. bis 26. April 2016 besuchte eine Richterdelegation aus Nordrhein-Westfalen Gerichte in den drei chinesischen Provinzen Gansu, Ningxia und Tianjin. Die zehnköpfige Delegation wurde geleitet von der Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes des Landes Nordrhein-Westfalen sowie des OVG Münster, Frau Dr. Ricarda Brandts. Aus dem hiesigen Bezirk nahmen Herr Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Hubertus Nolte sowie Herr Richter am Amtsgericht Gregor Dehmer, Amtsgericht Köln, teil.

Nach einem Empfang durch den Vizepräsidenten des Obersten Volksgerichts in Peking und einem Fachgespräch zum Thema "Verwaltungsrecht und Verwaltungsprozessrecht" ging es per Inlandsflug nach Lanzhou im Nordwesten der Volksrepublik China. Dort wurden das Obere Volksgericht der Provinz Gansu sowie das Mittlere Volksgericht Lanzhou besucht, wo jeweils Workshops mit den Themen "Urheberrecht" und "Immissionsschutzrecht" stattfanden. Anlässlich des Besuches der Juristischen Fakultät der Universität Lanzhou wurde das Thema der Juristenausbildung aus deutscher und chinesischer Sicht in Referaten vorgestellt und gemeinsam erörtert.

Nach einem weiteren Bustransfer nach Bai Yin bestand dort die Möglichkeit, beim Mittleren Volksgericht eine mündliche Verhandlung in Strafsachen zu verfolgen, in der es um eine auf den Rechtsfolgenausspruch begrenzte Berufung gegen eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung und Urkundenfälschung ging. Der Ablauf der Verhandlung unterschied sich nach dem Eindruck der deutschen Teilnehmer nicht wesentlich vom Gang eines deutschen Strafprozesses. Beeindruckt war die Delegation von der technischen Ausstattung der Gerichtssäle; der gesamte Ablauf der Verhandlung wird von mehreren Kameras aus unterschiedlichen Perspektiven aufgezeichnet. Allerdings kann auch der Präsident des Gerichts von seinem Dienstzimmer aus "live" jede Verhandlung mit verfolgen.

Die Reise führte weiter in das Autonome Gebiet Ningxia, zu dem das Land Nordrhein-Westfalen bereits seit mehreren Jahren Kontakte unterhält. Dort fanden in den Unteren Volksgerichten in Shapotou und Xingqing Workshops zu den Themen "Alternative Konfliktlösung" sowie "Aus- und Fortbildung von Rechtspflegern" statt. In der Stadt Tianjin an der Ostküste stand zum Ende der Dienstreise noch ein weiteres Fachgespräch zu Fragen der Schiedsgerichtsbarkeit und der  Anerkennung ausländischer Schiedssprüche auf dem Programm.

Der fachliche Austausch mit den chinesischen Kollegen, der jeweils von zwei Dolmetschern konsekutiv übersetzt wurde, ergab, dass im materiellen Recht durchaus viele Übereinstimmungen bestehen. Die chinesische Seite zeigte sich in hohem Maße interessiert am deutschen Rechtszustand, wie die zahlreichen Fragen und lebhaften Diskussionen zeigten.

Die besondere Herzlichkeit und Gastfreundschaft der chinesischen Kolleginnen und Kollegen lernte die deutsche Delegation auch bei den zahlreichen gemeinsamen Mahlzeiten kennen. Nicht nur dort bot sich reichlich Gelegenheit, die Gespräche aus den vorangegangenen Workshops zu vertiefen und die Spezialitäten insbesondere der Nordwestprovinzen Chinas kennenzulernen.

Die Deutsch-Chinesische Richterkooperation wird von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) durchgeführt und durch die Robert-Bosch-Stiftung finanziell gefördert. Die übrigen Kosten wurden von den Teilnehmenden selbst getragen.

Autor: Hubertus Nolte, Vors. Richter am OLG