Niederländische Flagge

Kameras und Big Data im Gerichtssaal

Arnheim-Leeuwarden

Internationale Konferenz in den Niederlanden zu Art. 6 EMRK

Am 16. und 17.06.2016 fand in Leeuwarden (Niederlande) eine internationale Richterkonferenz statt. Der Gerichtshof von Arnheim-Leeuwarden hatte seine Partnergerichte in Köln, Krakau (Polen), Gent (Belgien) und Lemberg (Ukraine) eingeladen, um über eine zeitgemäße Interpretation von Art. 6 EMRK zu diskutieren. Im Fokus stand ein modernes Verhältnis zwischen Justiz und Öffentlichkeit vor dem Hintergrund des technischen und sozialen Wandels in der Informationsgesellschaft.

Elf Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Oberlandesgericht Köln vertraten in den verschiedenen Arbeitsgruppen die deutschen Positionen. Schnell wurde deutlich: Der Umgang mit Medien und Öffentlichkeit wird in den verschiedenen Ländern ganz unterschiedlich gehandhabt. Während in Deutschland eine behutsame Öffnung des allgemeinen Aufnahmeverbots diskutiert wird, die nur die Urteilsverkündungen an den Obersten Bundesgerichten betreffen soll, sind die Niederlande viel offener. Eine Kamera im Gerichtssaal ist auch während der gesamten Verhandlung nichts Besonderes. Nach dortigem Verständnis gehört dies zur notwendigen Transparenz gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Noch weiter geht die Ukraine. Dort darf jedermann die Verhandlungen filmen, soweit es nicht den Ablauf des Verfahrens stört. Die Diskussion verlagert sich damit dort auf die Frage, wann eine große Anzahl von hochgehaltenen Mobiltelefonen im Zuschauerraum störend auf den Verfahrensfortgang wirkt. Da fiel es der deutschen Delegation nicht schwer, mit viel Leidenschaft für eine gewisse Zurückhaltung bei der Liberalisierung der Vorschriften zu werben.

Die Gastgeber hatten hochrangige Experten wie Egbert Myer, den ehemaligen niederländischen Richter beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, für Fachvorträge gewinnen können. Besondere Aufmerksamkeit erhielt eine Vertreterin von „Transparency International“, die für eine fast grenzenlose Offenheit im Umgang mit Justizinformationen warb. Sie stellte Pilotprojekte in einzelnen osteuropäischen Ländern vor, in denen im Internet zahlreiche Informationen über einzelne Richterinnen und Richter bereitgestellt wurden. So werde etwa für einzelne Richter die Anzahl der entschiedenen Fälle, die durchschnittliche Erledigungsdauer und die Rechtsmittelquote veröffentlicht und mit dem Gerichtsdurchschnitt verglichen. Wen wundert’s, dass in der anschließenden Diskussion die Frage der richterlichen Unabhängigkeit thematisiert wurde. Schließlich ging ein Raunen durch das Auditorium, als der Service eines amerikanischen Anbieters vorgestellt wurde, der Parteien die Entscheidungsanalyse des für sie zuständigen Richters anbietet: Welche Fundstellen zitiert der Richter üblicherweise, von welchen Argumenten lässt er sich beeindrucken, welches Vorgehen hat er in der Vergangenheit missbilligt. Hier wurde allen klar, dass „Big Data“ auch für die Justiz nicht ohne Bedeutung bleiben wird.

Im Rahmenprogramm war der Europäische Gedanke ebenfalls zentral verankert. Mit Richterinnen und Richtern aus der Ukraine, Polen und Deutschland waren drei Nationen aus der Vorrundengruppe C der Fußball-Europameisterschaft auf dem Kongress vertreten. Das Spiel Polen gegen Deutschland konnten die Delegationen gemeinsam auf dem Fernseher verfolgen. Auch hier hatte die holländische Regie ein diplomatisches Händchen, da das Spiel unentschieden endete. Entgegen der in Deutschland verbreiteten Meinung waren die Holländer bei dieser EM auch auf dem Spielfeld vertreten, denn sie stellten bei diesem Spiel den Schiedsrichter. 

Autor: Dr. Ingo Werner, Oberlandesgericht Köln; Bericht vom 05.07.2016

Arnheimer IT-Fachleute zu Besuch im Oberlandesgericht Köln

OLG Köln

Fachvertreter des Oberlandesgerichts Köln sowie des Landgerichts Bonn empfingen am letzten Freitag, 18.12.2015, eine Delegation niederländischer Kollegen des Gerichtshofs Arnheim-Leeuwarden unter Führung von Richter Martin van Wees zum Gegenbesuch. Derartige Arbeitsbesuche finden auf der Basis der zwischen den beiden Gerichten bestehenden langjährigen Beziehungen statt und dienen im konkreten Fall dem Informationsaustausch zu jeweils aktuellen Standards und der weiteren Entwicklung im Bereich des elektronischen Rechtsverkehrs.

Im Jahr 2014 hatten sich Vertreter des Justizministeriums, des Oberlandesgerichts Köln sowie des Landgerichts Bonn in Arnheim über das in den Niederlanden bereits flächendeckend implementierte System DIVOS informiert. Unter dieser Bezeichnung wird die niederländische Version der elektronischen Akte in Strafverfahren geführt, deren Betrieb mittlerweile ebenfalls von einem zentralen Rechenzentrum aus erfolgt. Beim nunmehr anstehenden Gegenbesuch erhielten die niederländischen Kollegen nach Begrüßung durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Peter Kamp zunächst eine Präsentation der Software "e2A", die derzeit im Rahmen des am Landgericht Bonn durchgeführten Projektes "e2hug" erfolgreich eingesetzt wird. In diesem Projekt wird die elektronische Aktenführung in den sog. EHUG-Verfahren an mehreren Kammern für Handelssachen pilotiert. Im Anschluss führten die Niederländer den Kölner Fachkollegen auf diversen mobilen Endgeräten "DIVOS Mobil Lesen" vor, eine neue Lösung für mobiles richterliches Arbeiten etwa im häuslichen Arbeitszimmer unter Nutzung einer WLAN-Anbindung.

Nach Abschluss der Fachvorführungen wurde der kollegiale Austausch der Jahreszeit angemessen auf einem Kölner Weihnachtsmarkt fortgesetzt und vertieft. Für 2016 wird ein weiteres Treffen zum Austausch der Erfahrungen - gerade auch auf dem wichtigen Feld des sog. Akzeptanzmangements - geplant, dieses Mal auch unter Einbezug der niederländischen Projekte im Bereich des Zivil- und Verwaltungsrechts